Ich gucke Nachrichten und ich schotte mich innerlich vom Elend ab. Manchmal bin ich wütend, manchmal traurig, manchmal ratlos und manchmal erschrecke ich mich. Aber diese Gefühle bleiben an der Oberfläche und ziehen sofort weiter.
Vor ein paar Tagen sah ich einen Bericht aus Spanien. Die Familien, die wochenlang in ihren Wohnungen bleiben mussten, dürfen für eine Stunde am Tag mit ihren Kindern an die frische Luft. Ich sah ein kleines Mädchen, dass lief und lief und lief. Im Hintergrund taten es andere Kinder. Hin und her und im Kreis, Hauptsache rennen. Mein innerer Schutzwall gab auf und ich weinte eine Weile vor mich hin.
Gestern erzählte ich meinem Bruder am Telefon davon und mir kamen schon wieder die Tränen. Immer, wenn ich an dieses laufende kleine Mädchen denke, rührt sich etwas in mir. Ich weine nicht wirklich, aber ich bin aufgewühlt.
Warum? Ich darf nach draußen, wann immer ich will. Laufen kann ich mit meiner Polyarthrose leider nicht, ich bin schon froh, wenn ich ein wenig spazieren gehen kann. Ich fahre daher lieber mit dem Rad. Erinnert mich das rennende Mädchen an meine verloren gegangene Mobilität? Nein, das denke ich nicht, obwohl ich darüber ab und zu traurig bin. Aber das fühlt sich anders an.
Ich bleibe bei der Erinnerung an die Bilder aus Spanien und meine Gefühle kommen an die Oberfläche. Ich halte es eine Weile aus und denke plötzlich an meine Lieben und an meine Gruppenaktivitäten. Ich denke an meine Kinder und ihren Anhang, an die Reisen mit meinen Freundinnen, an meine Qi Gong Frauen und an meine Familienaufstellungsgruppe. Jetzt weiß ich, was da in mir hoch kocht, wenn ich dieses kleine rennende Mädchen vor mir sehe: eine tiefe Sehnsucht nach dem unbeschwerten Zusammensein, nach Umarmungen und dem Kuscheln. Nach gemeinsamen Erlebnissen ohne Abstand. Nach meinem früheren Leben.
Mein inneres Kind hat Sehnsucht und will auf seine liebsten Menschen zurennen, sobald es von der Leine gelassen wird. Noch ist es nicht soweit. Noch muss es in seinem Zimmer bleiben und telefonieren. Aber es darf sich schon darauf freuen und ab und zu die Sehnsucht spüren.