Der eine so, die andere so…..

Der eine so, die andere so…..

Die eine weiß, ich kriege nichts auf die Reihe. Also, fast nichts.

Wenn ich mit ihr zusammen bin, verhalte ich mich auch so.

Obwohl ich es besser kann.

 

Der andere erinnert sich, dass ich vor vielen Jahren einmal laut war, als ich in den Badesee stieg. Furchtbar laut. Unanständig laut für eine Frau und Mutter.

Mir ist das peinlich. Es passierte nie wieder.

Obwohl ich so gerne viel öfter laut gewesen wäre.

 

Kinder sind so gerne laut.

Herrlich!

Hier falle ich nicht auf.

 

Der andere findet mich hässlich und sagt, ich kriege keinen mehr ab, wenn ich mich nicht etwas mehr anstrenge und mich hübsch mache.

Ich stimme ihm zu, nicht liebenswert zu sein.

Obwohl ich doch ich bin.

 

Die eine freut sich so, mich zu sehen, dass sie mich beherzt in die Arme nimmt.

Ich mag sie auch und mich sowieso.

Obwohl manchmal auch nicht.

 

Der eine interessiert sich für das, was ich sage, auch wenn er nicht immer meiner Meinung ist.

Ich sage, was ich denke und was mir gerade einfällt.

Manches hört sich richtig schlau an. Manches auch nicht.

 

Die eine findet, ich bin total aktiv.

Ich denke, sie kennt mich nicht.

Ich bin dann aber auch total zufrieden mit mir.

 

Der andere denkt, ich erlebe zu wenig.

Ich glaube ihm.

Obwohl ich es besser weiß.

 

Der eine findet mich alt.

Bin ich ja auch.

Aber unter Gleichaltrigen bin ich es nicht.

 

Der eine denkt, ich bin eine Schlaftablette.

Ich bemühe mich, es nicht zu sein.

Und werde müde.

 

Die andere liebt mein Temperament.

Ich denke, bin ich zu laut?

Und lache mich scheckig.

 

Der eine hätte mich gern intellektueller.

Ich fühle mich dumm.

Ich habe mein kleines Latinum nicht erreicht, weil ich zu faul war.

 

Der andere mag keine Studierten.

Und ich halte mich zurück.

Lehrerin war ich früher auch noch.

Das merkt man, sagt er.

😳

 

Die eine nimmt mich so, wie ich gerade bin.

Ich bin alles, was ich sein kann.

 

Ich denke, die kriegt nichts auf die Reihe,

wenn sie mit mir zusammen ist, verhält sie sich auch so.

Obwohl sie es besser weiß.

 

Ich will achtsamer werden

mit meinen Urteilen.

Denn ich kann ja nichts wissen

über die anderen!

 

 

Von oben

Vor langer Zeit machte ich ein Jahr lang beim Projekt  Zwölf Monate  mit und fotografierte jeden Monat meine Terrasse von oben. Daran musste ich denken, als ich am Morgen ganz versonnen dem Regen zuschaute. Heute sah es dort unten so aus:

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IMG_2877Ja gut, das hat keinen Nachrichtenwert, aber ich wünsche Euch trotzdem einen schönen Sonntag!

Schreibanlass

Ich putze mein Badezimmer und habe Lust, die Jahreszeitendeko zu wechseln. Ich will meine kleine, dicke und fröhliche Badefrau schon jetzt hinstellen. Wo ich doch in einer Woche auf dem Weg zum Meer bin. Ich trage also meine Frühlingselfe zum Austausch zur Dekokiste, wie ich es jedes Jahr tue. Bisher klappte das viele Jahre reibungslos. Ich öffne die Kiste und schaue hinein. Mr. Winter liegt drin und der Wackelfrosch auch. Aber meine kleine, dicke Badefrau ist weg. 😢

Sie ist weg😳.

Jahrzehntelang überwintert sie schon in dieser Kiste. Immer war sie da, wenn ich sie brauchte. Sie ist eigentlich eine Kerze, aber wie könnte ich sie jemals anzünden? Niemals. Seit zwei Jahrzehnten steht sie im Sommer in meinem Badezimmer und lächelt mich an, wenn ich meinen Bedürfnissen nachgehe.

Jetzt ist sie weg😭.

Ich fasse es nicht. Klar, letzten Winter war ich fertig mit der Welt. Ich war nicht immer konzentriert, ich weiß. Sortierte ich sie anderswo ein? Ich suche und suche und suche. Sogar in der Weihnachtskiste. Meine Güte, sollte ich sie endgültig entsorgt haben? Oder ist sie auf Reisen gegangen, wie mein Reisefrosch Misi es ab und zu tut? Kommt sie zum Sommer wieder, weil sie weiß, sie muss mich durch diesen begleiten? Und durch den Herbst, bis Mr. Winter wieder seinen Platz einnimmt?

Ich schüttel den Kopf. Manchmal geht meine Liebe zur Deko etwas zu weit. Finde ich selber. Aber wer einen Misi hat, dem geht die Phantasie ab und zu durch.

Ich hake sie also für heute ab. Wird schon wieder auftauchen, das gute Teil. Eines Tages. Soll ich die gelbe Quietscheente aufstellen? Nein, dann werde ich jedes Mal, wenn ich sie sehe, daran erinnert, dass die Badefrau weg ist😭. Wenn da gar nichts steht………auch 😭. Ich werde vielleicht die nächsten Tage lieber mein Gästklo benutzen.

Kann man um Deko trauern? Ich kaufte sie vor über zwanzig Jahren, meine dicke Kerzen-Badefrau. Soll ich mir eine neue holen? Nein. Sie ist unersetzbar und ich finde mich jetzt ab und bin wieder vernünftig.

Und übe mich in Gelassenheit. Ich denke einfach nicht mehr an sie. Oder an meine Schusseligkeit. Nein.

Nur noch einen Karton öffnen! Den letzten und dann hake ich dieses Ärgernis aber auch wirklich ab.

😍!!!! Genau, da liegt sie drin, zusammen mit anderen lustigen Dingen. Huch?😬

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Nun steht sie wieder an ihrem Platz, meine kleine, dicke Badefrau. Und jetzt weiß ich auch wieder, wieso sie dort lag, wo ich sie fand. Für meine Schreibwerkstatt brauchte ich vor ein paar Wochen ein paar nette Gegenstände, als Schreibanlass sozusagen. Damals haben wir den Karton zugelassen und uns eine andere Aufgabe gestellt. Heute war es meine dicke Badefrau, die mich doch noch zum Schreiben brachte, denn vorhin fiel mir so gar nichts ein.

Schön, dass ich stattdessen mein Badezimmer geputzt habe!

Luxus

Luxus

Es ist immer schön, wenn ich mich auf etwas freuen kann. So strukturiere ich meine Zeit. Ostern liegt hinter mir und der nächste Freupunkt ist die Reise nach Dänemark mit meinen „Mädels“. Letztes Jahr konnte ich nicht mit, weil mein geschiedener Mann schwer erkrankte und dann starb. Meine vier Freundinnen und der Pudel beschlossen, dass wir in diesem Jahr genau wieder dorthin fahren, damit ich diesen schönen Ort auch kennenlerne. Am 4. Mai geht’s los und bis dahin genieße ich meine Ruhe, den Garten und das Lesen. Nebenbei überlege ich, was mit soll und ich kaufe mir jede Menge Schuhe, die passen und mit denen ich relativ schmerzfrei laufen kann. Meine alten kann ich vergessen. Nach der OP haben sich meine Füße verändert. Neue Belastung durch das neuerdings gerade Bein oder so….

Egal! Zeit ist mein Luxus und den verbringe ich gerne im Garten. Mit einem Buch auf der Terrasse oder mit dem Fotoapparat bei meinen Blumen.

Wolfszeit

Ich las einige Bücher über die  Kriegskinder und Kriegsenkel, um mich und meine Familiengeschichte besser zu verstehen. Ich dachte, ich muss jetzt nichts mehr darüber erfahren. Bis ich einen Artikel über das Buch Wolfszeit, Deutschland und die Deutschen 1945-1955 von Harald Jähner, Rowohlt 2019, las.

Ich wusste sofort, dass ich dieses Buch unbedingt lesen muss. Also besorgte ich es mir gestern und begann auch sofort mit der Lektüre.

Zum Glück gehöre ich zu den glücklichen Leuten, die Ostern zwar etwas vorhaben, aber nichts vorbereiten müssen. Ich habe also die nächsten Tage Zeit zum Lesen und das ist ein Glück. Ich bin bis Seite 80 gekommen und kann es kaum erwarten, mich auf meine sonnengewärmte Terrasse zu setzen und weiter zu lesen. Ich weiß jetzt schon, dass dies eins der wichtigsten Bücher meines Lebens sein wird. Es geht mich unmittelbar etwas an, denn ich bin in diese Zeit (1952) hineingeboren worden.

Das Buch ergänzt mein Wissen darüber, wie meine Eltern im NS-Regime aufgewachsen sind und wie sie den Krieg in Hamburg erlebt haben mögen. Sie selbst erzählten ja wenig, aber einiges weiß ich schon. Jetzt lese ich die „Wolfszeit“ und mir wird bewusst, wie schrecklich und traumatisierend auch die Zeit nach dem Krieg für die Bevölkerung gewesen ist. Ich verstehe, wie es einem Großteil der Bevölkerung gelang, alles, was mit ihrer Vergangenheit zu tun hatte, weitgehend abzuspalten. Ich ordne das Schweigen meiner Eltern, meine Rebellion und unsere Kämpfe später anders ein. Ich verstehe neue Zusammenhänge und mein Wissen um meine Familiengeschichte wird um ein paar  Aspekte bereichert. Ich sehe einige Menschen mit ganz anderen Augen und entwickle ein Mitgefühl, das ich so noch nicht gespürt habe. Und dabei bin ich erst im dritten Kapitel!

Ich muss jetzt hier auch Schluss machen, denn ich will weiterlesen. Jetzt. Sofort!

 

Sonntagmittag

Sonntagmittag

Heute ist Sonntag und ich mache gar nichts. Gar nichts? Schließlich habe ich schon meinen Kaffee im Bett getrunken und dabei gelesen. Ich war auf dem Crosstrainer unterwegs. Ich probierte Klamotten aus und entschied, dass ich Ostern anständig genug angezogen sein werde. Ein langes Telefongespräch mit einer guten Freundin ist auch geführt und am PC sitze ich schon seit einiger Zeit, um meine Gedanken zu sortieren. Also bitte, für einen halben Sonntag doch ganz schön viel und auf alle Fälle genug, oder?

Ich kann meine Knie nicht richtig beugen. Ja, die dazugehörigen Muskeln haben sich im Laufe der Jahre mit meiner Schonhaltung und den Schmerzen verkürzt. Nein, das ist nicht schlimm. Nur etwas traurig, weil ich meine Lieblingsyogaübung nicht mehr machen kann: das zusammengerollte Blatt. Traurig aber nur, weil mir die Übung gestern eingefallen ist. Viele Jahre habe ich sie ins Unterbewusstsein verbannt. Dass die Erinnerung daran nun wieder aufgetaucht ist, werte ich mal als ein gutes Zeichen. Jeden Tag beuge und strecke ich meine Knie mit so viel Kraft wie möglich und das TUT WEH! Aber ich will das  zusammengerollte Blatt  eines Tages wieder machen können, also beiße ich die Zähne zusammen. Und mein zweites Ziel, wieder um den Arendsee zu marschieren, verliere ich auch nicht aus den Augen. Gut motiviert mache ich meine Übungen, steige auf den Crosstrainer, knete meine Füße, klopfe meine Beine und gucke in den Spiegel. Nein, sportlich sehe ich noch nicht aus, aber meine Beine fühlen sich wieder lebendig an.

Viel hat sich verändert, als mein geschiedener Mann vor einem halben Jahr gestorben ist. Mein erstes Entsetzen und die große Fassungslosigkeit haben sich aufgelöst. Ich fühle mich gestärkt, weil ich das erste halbe Jahr gemeistert habe. Ich weiß, ich kann  mehr leisten, als ich mir je zutraute. Sogar ein Haus verkaufen. Es ist nicht vorbei, natürlich nicht, aber das Leben geht weiter. Ich denke immer seltener daran, wie schlimm sein Tod für meine Kinder und mich ist, sondern meine Gedanken und mein Mitgefühl sind häufiger bei ihm. Das tut mir gut. Ich habe die Dinge, die ich aus unserem Haus mitgenommen habe, in mein Leben integriert. Sie gehören jetzt zu mir und halten die Erinnerung an ihn und unsere gemeinsame Geschichte am Leben, auf eine heilsame Art.

Sonntags stellt sich manchmal noch das Gefühl ein, dass er überraschend anrufen oder auftauchen könnte und wir eine schönen Nachmittag miteinander verbringen. Das war in den letzten Jahren oft der Fall und nährte meine kleine Hoffnung, wir könnten wieder einen Weg zueinander finden. Er war eben der Mensch, der mir am vertrautesten war. Mit ihm teilte ich so viele Erinnerungen, die ich mit keinem anderen je haben werde. Unsere gemeinsamen Kinder verbinden uns lebenslang und darüber hinaus. Jetzt weiß ich: unsere Geschichte ist abgeschlossen. Es kommt nichts Neues dazu und ich beginne, mit größerer Ruhe und Gelassenheit die vergangenen Monate aufzuarbeiten. Ich denke, wie oben schon erwähnt, immer seltener dabei an mich, sondern bin häufig bei ihm und spüre seinem Leiden nach.

Und dann bin ich wieder in meinem Leben. Manchmal bedaure ich, dass niemand meinen Alltag mit mir teilt. Ja schon, das wäre wahrscheinlich vielleicht ganz schön. Wer weiß? Aber so ist es auch gut. Sehr sogar. Ich bin zufrieden.

Ich plane gerne ein paar schöne Erlebnisse im Voraus ein. Mir ist es wichtig, mich immer auf etwas freuen zu können. Das gibt meinem Leben eine Struktur. Ich sorge dafür, dass sich Begegnungen und Gruppenerlebnisse mit Phasen des Alleinseins abwechseln, so dass ich beides ausreichend genießen kann. Alles andere lasse ich fließen. Ich achte darauf, mir nicht zu viel vorzunehmen. So ist genügend Raum für mein Tun und für spontane Entscheidungen. Ich hetze mich nicht mehr. Ich weiß, wie wertvoll das Leben ist.

Und dann will ich am Ende des Jahres die Ärzte an meinem zweiten Knie herumschnippeln lassen.

Ich bin guter Dinge, auch wenn alles ab und zu manchmal sehr beschwerlich ist. Das ist LEBEN!

Ich schicke liebe Sonntagsgrüße und bin ganz neugierig: Was denkt Ihr gerade so?

 

 

 

Misi hat es erwischt

Misi hat es erwischt

Hallo Leute, nun hat die Zeit im Haus ein Ende und wir Frösche haben uns nach draußen verzogen. Frau Holle ist froh darüber, denn allerhand Geflügel ist eingezogen und schnattert und flattert und wuselt durchs Haus. Niemand weiß, wo die plötzlich herkommen. Frau Holle sagt, sie weiß das schon aber so einen Aufstand hat sie noch nie erlebt. Die Neuankömmlinge und die Alteingesessenen müssen sich erst einmal zusammenraufen. Aber alle sind sich einig, dass sie gar nicht wissen, was sie hier sollen, denn Ostern scheint irgendwie verschollen zu sein.

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Na ja, wir Frösche haben uns verdrückt und gehen unseren Geschäften nach.

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Ich bleibe meist im Garten, denn ich bin als Zaunhänger ja berufstätig und muss mich schon mal eingewöhnen. Nur abends gehe ich noch ins Warme zu meiner Frau Holle, denn es herrscht Nachtfrost draußen und Gesprächsbedarf drinnen.

Gestern war mal wieder Männergruppe. Ich habe die Kollegen zuletzt im Herbst gesehen, kurz vor dem Erstarren. Gestern konnte ich es kaum fassen. Meine Güte, sind die alt geworden! Wo ist unsere Jungend abgeblieben? Früher sprachen wir über Weiber und wie wir welche finden können, gestern sprachen wir auch über Weiber, das schon, aber irgendwie anders.

Wir können nicht mehr mithalten mit den Jungfröschen! Die Weiblichkeit fühlt sich zu denen hingezogen und wir brauchen immer mehr Fliegen und Froschgesang, um Weibchen auf uns aufmerksam zu machen. Ich dachte ja, ich hätte eine für immer und ewig für mich gewonnen, meine Iris, Ihr wisst schon. Aber sie ist weg. Nun weiß ich nicht, ob ich eine Neue suchen soll und ob sich der Aufwand noch lohnt.

Also gestern war nur Gejammer angesagt. Einer sagte: „Das Hüpfen fällt immer schwerer und ich schwimme schon wie ein alter Frosch.“ Ein anderer sagte: „Ich habe plötzlich Falten und graue Schwimmhäute bekommen. Was kann man dagegen tun?“ Ich sagte: „Ich habe mich bei Frau Holle mit Arthrose angesteckt! Guckt mal, meine Kniegelenke!“ Alle schauten drauf und sahen nichts. Ich zeigte ihnen, wie langsam ich meine Schenkel nur noch bewegen kann und dann waren sie entsetzt. Meine Güte, wir dachten, wir bleiben immer jung. Traurig machten wir Schluss mit unserer Sitzung. Nächste Woche wollen wir uns mit dem Thema „Alt, aber potent“ auseinandersetzen.

Ich erzähle Frau Holle vom gestrigen Abend. Sie schaut mich an und sagt: „Misi, das kenne ich.“ Sie findet mich aber jung und ich frage sie, wie alt Frösche eigentlich werden. Sie schaut ins Internet und liest vor: “ Frösche können theoretisch 10-20 Jahre alt werden, einzelne Exemplare werden noch älter. Jedoch schaffen es kaum welche in dieses hohe Alter, da sie meist früher von Feinden erbeutet, oder von Krankheiten heimgesucht werden.“ Ja, prima, die Störche sind wieder unterwegs und Arthrose habe ich jetzt auch noch. Frau Holle sagt, Arthrose sei nicht ansteckend und ich hätte sicher nur Muskelkater. Trotzdem. Altwerden ist doof und ich will das nicht.

Frau Holle will das auch nicht, aber sie muss. Frösche wohl auch. Gibt es ein Rezept dagegen? Frau Holle sagt: „Früh sterben.“ Aber das wollen wir erst recht nicht.