Ich weiß nicht genau, woher sie kommt und warum sie so hartnäckig ist: meine Angststörung. Wer auch eine hat(te), weiß wovon ich rede. Für die anderen ist mein Erleben schwer nachvollziehbar. Manche schütteln zumindest innerlich den Kopf. Das kann ich gut verstehen.
Ich war meiner Angststörung viele Jahre ausgesetzt und ich habe hart daran gearbeitet, mich nicht mehr zu sehr von ihr beeinflussen zu lassen. Ich erholte mich weitgehend und nahm mein Leben wieder in meine eigenen Hände.
Die Angst ist aber noch aktiv. Sie begleitet und sie ärgert mich. Manchmal denke ich, dass sie verschwunden ist. Aber sie ist auf der Hut und versucht immer wieder ihr Glück, wenn ich gerade nicht mehr an sie denke und fröhlich vor mich hin lebe. Heute erkenne ich sie und weiß sie einzuordnen. Sie hat keine große Macht mehr, ist aber lästig und nicht immer hilfreich.
Ich will endlich in den Handyladen und meine Card aufladen. Eine halbe Stunde bevor ich losgehe, stellt sich innere Hitze ein und ich werde unruhig. Ich nehme das wahr und denke, so ein Quatsch, ich will doch nur in einen Laden! Ich mache das und äußerlich wird man mir wenig anmerken. Innerlich stehe ich unter Hochspannung. Und Zuhause bin ich für ein paar Stunden ziemlich müde. Daran merke ich, dass sie wieder gut gearbeitet hat, meine Angststörung.
Ich bin zum Geburtstag eingeladen und eine Stunde, bevor ich losfahren will, stellt sich die innere und äußere Hitze ein und ich werde nervös. Ich weiß genau, was ich anziehen will und das Geschenk ist auch schon fertig verpackt. Ich weiß, wohin ich fahren muss und ich weiß, dass ich viele nette Leute treffen werde, die ich zum Teil lange nicht gesehen habe. Ich weiß, ich bin nicht schlimmer als die anderen und sehe auch nicht so gräßlich aus, wie ich mich gerade fühle. Ich weiß, dass ich mich amüsieren werde. Ich weiß, dass das ein guter Tag wird. Trotzdem bin ich unruhig, fahrig und innerlich feuert die Angst ordentlich ein. Mein Körper rät mir, Zuhause zu bleiben. Ich fühle mich kränklich. Ich konzentriere mich darauf, loszugehen und mich der Situation auszusetzen. Die ersten fünfzehn Minuten sind schrecklich. Ich spule Begrüßungen ab und weiche Umarmungen so gut wie möglich aus, obwohl ich viele Leute eigentlich gerne abknutschen möchte, weil ich sie so gerne mag. Aber in der ersten Viertelstunde ist das nicht möglich. Ich kann nicht sitzen bleiben, ich gehe aus dem Raum. Ich komme wieder rein, setze mich und halte durch. Und plötzlich ist alles gut. Ich esse und trinke, ich erzähle und höre, ich nehme Menschen in den Arm und lasse mich berühren. Ich lache und bin dabei. Aber zu Hause bin ich völlig erschöpft und weiß, die Angst hat wieder gut gearbeitet.
Ich sitze im kleinen Theater neben einem lieben Menschen in der ersten Reihe und gleich soll es losgehen mit dem Programm. Ich konzentriere mich sehr darauf, sitzen zu bleiben, die innere Hitze auszuhalten im Vertrauen darauf, dass man sie mir nicht ansehen wird. Ich sitze zwar am Rand, aber die Menschen hinter mir, so dicht gedrängt, kann ich kaum aushalten. Nach einer viertel Stunde bin ich wieder dabei. Es geht mir gut. Ich lache und klatsche und genieße es, mich heute Abend vom Sofa getrennt zu haben.
Ich will bei der Telekom anrufen, mein Vertrag muss geändert werden. Eine halbe Stunde vorher…..Ihr wisst schon. Ich rufe an und die Angst feuert ordentlich ein. Wozu macht sie das? Das Gespräch ist sehr erbaulich, ich kriege alles, was ich will und sogar viel günstiger als gedacht und Samstag soll die Umstellung stattfinden. Ganz wunderbar und nach dem Gespräch bin ich erschöpft und weiß, die Angst war da, aber nur kurz diesmal.
Samstag soll ich dann meinen neuen Router einrichten, mein Telefon einstöpseln und meine Geräte auf das neue W-LAN einstellen (oder wie dieser Vorgang auch immer heißt). Meine Nerven signalisieren heute schon, dass ich das nicht schaffen werde. Die Angst sammelt schon mal Feuerholz…….
Ich weiß nicht, was die Angststörung mir sagen will. Sie ist ein Relikt aus vergangenen Tagen. Sie macht heute keinen Sinn mehr. Ich begebe mich nicht in Gefahr, mein Körper reagiert trotzdem so, als ob es ratsam wäre, zu fliehen. Wegrennen, so weit ich komme. Oder erstarrt Zuhause zu bleiben. Allein kann mir nichts passieren. Allein kann ich nichts falsch machen, und wenn doch, dann merkt es wenigstens keiner.
Die gute Nachricht ist, dass ich doch schon eine Menge ohne Angst erledige. Es wird immer besser, weil ich nicht aufgebe. Weil ich selbst erkenne, wie absurd manche Gedanken sind, die mir Angst machen. Weil ich die ängstliche Regine gedanklich in den Arm nehmen kann.
Trotzdem: Ich will sie ganz loswerden, die Angststörung. Kann sie jemand von Euch gebrauchen?