Ich täusche mich häufig. Ist nicht so schlimm, ich kann nicht alles wissen. Meine Wünsche, Vorstellungen und Einschätzungen sind nicht immer vereinbar mit denen der anderen, den Umständen oder dem Wetter. Ich darf mich anpassen, ich darf aber auch bei meinen alten Gedanken bleiben und gucken, ob sie sich nicht doch verwirklichen lassen. Ich darf auch aufgeben und Neues wollen. Ich darf auch feststellen, dass ich mir selbst etwas vorgemacht habe. Ich darf meine Illusionen erkennen und aufgeben. Oder auch nicht, Illusionen sind wie das Salz in der Suppe, manchmal. Alles ist in Ordnung.
Ich bin enttäuscht. Das fühlt sich oft richtig schlimm an. Damit ich aus dieser Gefühlslage komme, kann ich sauer sein auf die anderen, die Umstände oder das Wetter. Ich kann mich in Frage stellen, mich unfähig, schlecht und falsch fühlen. Ich kann in die Verbitterung gehen, mich an den Gedanken klammern, das mir alles, wirklich alles um die Ohren fliegt. Ich kann aufgeben, resignieren und traurig sein. Ich kann denken, dass ich das Recht dazu habe und das Leben einfach nur ungerecht zu den Guten ist. Das kann ich tun, will ich aber nicht, weil dieser Weg mich in die Sackgasse führt. Und wenn ich weiter will, muss ich sowieso umkehren, also wäre es blöd, diesen Weg einzuschlagen. Ich will ja schließlich nicht irgendwo im Nirgendwo festsitzen. Obwohl…. vielleicht ist es dort auch ganz gemütlich?
Ich bin enttäuscht und das fühlt sich nicht gut an. Ich bin enttäuscht heißt, dass ich mich getäuscht habe. Mit dieser Interpretation bleibe ich flexibel und ich kann guten Mutes überlegen, was zu tun ist.
Ich muss nicht jede Enttäuschung auflösen, um etwas vermeintlich Heiles daraus zu machen. Ich darf Neues denken und darauf vertrauen, dass mir mein Bauchgefühl einen guten Weg zeigen wird. Nachgeben, weiter so tun als ob, mich fügen ist eine Option. Ich darf auch beenden, was mir nicht gut tut, weil ich mich täuschte. Weil ich ständige Enttäuschungen leid bin. Ja, das darf ich! Das kann dann auch als Altersstarrsinn ausgelegt werden, aber wenn ich weiß, dass ich mit der Enttäuschung flexibel geblieben bin, dann ist es egal, wie andere mein Handeln interpretieren. Auch sie können sich täuschen.
Ich kann mich sogar sehr gut in mir täuschen. So, wie ich denke, dass ich bin, bin ich noch lange nicht, wenn es darauf ankommt. Das ist bitter, aber gehört zum Leben. Ich dachte zum Beispiel vor ein paar Tagen daran, dass es mir immer schwerer fällt, mich in die Sicht der anderen zu versetzen, mich in ihre Schuhe zu stellen sozusagen. Oha, da will ich aufpassen und es wieder mehr praktizieren. Im Selbstgespräch auch die anderen zu Wort kommen zu lassen kann nicht schaden, wenn ich mich dabei nicht vergesse.
Ich bin nicht der Mittelpunkt der Welt, auch wenn ich der Mittelpunkt meines Lebens bin.
Es wird wieder Zeit, andere Süppchen zu probieren, auch wenn mir meins am besten schmeckt. Dann ist die Enttäuschung nicht mehr bitter, sondern fein-würzig. Und dann ist es erst recht nicht schlimm, mich zu täuschen, denn es stehen mir viel mehr Zutaten zur Verfügung, wenn ich aus fremden Töpfen probiere. Ob es mir schmeckt, entscheide ich dann selbst.
Mein Güte, was für ein Wirrwarr sich auftut, nur weil ich etwas über die Enttäuschung schreiben will. Und wie schnell ich das Durcheinander der Gefühle und Gedanken ordnen kann, weil ich darüber schreibe.
Ich danke Euch für das Lesen bis hierher. 💕