Verhandlungen gescheitert

Verhandlungen gescheitert

So, das hat die Alte jetzt davon! Ich habe ihren Laptop kaputt gemacht. Jetzt braucht er Stunden um hochzufahren. Das blaue Rädchen dreht und dreht sich und Fraunichthexe weint. Also nicht wirklich, aber wenn ich so weiter mache, wird sie das noch! Ich schwöre! Wenn sie mich nicht bis übermorgen auf den Brocken bringt, zerstöre ich auch noch ihren Fernseher. Oder den Router. Oder die Kaffeemaschine. Oder alles. Kann ich auch ohne Zauberbuch. Frau Holle bittet mich, den Laptop wieder heil zu machen. „Kann ich nicht ohne Zauberbuch. Also bring mich nach Hause“, fauche ich sie an. Ich will übermorgen unbedingt zum Hexentanz. Unbedingt. Frau Hölle sagt, dass sie so keine Verhandlungen führt und sie will selbst sehen, ob sie ihren Laptop nicht doch reparieren kann. Ich bin so wütend, das könnt Ihr gerne glauben. Frau Hölle sitzt am Rechner und weiß nicht weiter. Nun hat sie für neue Gepräche mit mir keine Zeit mehr. Könnt Ihr mir helfen? Ich suche eine Mitfahrgelegenheit in den Harz! Oder gibt es hier eine Kollegin, die mir ihr Zauberbuch leiht? Die blöde Frau Holle lässt grüßen und fragt, ob nicht jemand eine Junghexe brauchen kann. Sie hätte eine über.

PS: Jetzt funktioniert der Rechner wieder. Mist.

Ist denn schon Herbst?

Gestern genoss ich den wahrscheinlich letzten Fastnochsommertag in diesem Jahr. Ich setzte 75 Tulpenzwiebeln, mähte den Rasen und räumte meine Terrasse noch nicht auf. Das Blumengestrüpp sah nicht mehr so schön aus, aber es gab noch etliche Schönheiten, die Interesse zeigten und so ließ ich es stehen. Ich kam auch ganz gut ohne Arbeit aus, holte mein Buch und setzte mich in die Herbstsonne. Und ganz fröhlich dachte ich nicht daran, dass der Herbst schon lange Einzug gehalten hat.

Heute weht ein kalter Wind und mein Blumengestrüpp ist über Nacht wirklich zum Gestrüpp mutiert, ohne Blumen. Es ist zu ungemütlich, um draußen zu sitzen und es ist zu windig, um Fahrrad zu fahren. Ich habe so wenig Lust ins Hallenbad zu gehen und ich vermute, dass ich mich heute nicht sportlich betätigen werde. Oder kommt die Lust dabei? Mal sehen.

Ich weiß nicht so recht, wohin mit mir und räume erst einmal meine Anziehsachen um. Sommersachen auf den Boden, Wintersachen zum Auslüften und später in den Schrank. Ja, ich habe immer noch zu viele Klamotten und nein, ich kann mich nicht trennen. Meine Ausbeute für die Altkleidersammlung ist übersichtlich und nicht der Rede wert. Kein Problem, Ballast soll ja weg, aber nicht unbedingt heute.

Heute haben sie wieder an der Uhr gedreht und die Sonne wird schon so gegen 16.00 Uhr meinen Garten verlassen. Dann muss ich nach oben in mein Schlafzimmer steigen, um sie noch sehen zu können. Bis sie dann auch bald erröten und untergehen wird. Mein Körper denkt dann, dass es schon furchtbar spät ist und ich werde noch fauler sein als sonst. Mitten am Nachmittag! Und es gäbe noch jede Menge zu tun. Kekse backen zum Beispiel! Oder Straße fegen. Ach ne, im Dunkeln ist das nicht so sinnvoll.

Heute beginnt also ganz abrupt die dunkle Jahreszeit. 😡 Blöde Zeitumstellung!

👹Also wirklich👿.

🤔Könnte ich nicht ebenso gut schon mal mit der Weihnachtszeit anfangen?

🌟🎁🌟🌟🎁🌟🌟🎁🌟🌟🎁🌟

😬

😁Nö, auf keinen Fall!

Neue Wege

Neue Wege

Hin- und hergerissen zwischen Unglauben, Scham und Erleichterung frage ich mich, ob ich es nicht hätte besser machen können. Ob ich nicht lieber andere Entscheidungen hätte treffen sollen. Ob ich mein Leben verschwendet habe. Ob ich jetzt noch einen anderen Weg einschlagen kann und will. Die Fragen rauben mir nicht den Schlaf, denn die Antworten sind denkbar einfach. Ich hätte andere Entscheidungen treffen können, tat es aber nicht. Ich ging genau diesen Weg. Mein Leben habe ich gelebt und keine Sekunde davon war verschwendet. Eine führte zur anderen bis hierher.

Im blicke mich um und sehe, was ich getan habe. Ich bin nicht stolz darauf.  Doch, ich bin stolz auf alles Positive, das ich in die Welt setzte. Nein, ich will es üben, stolz darauf zu sein. Das ist nicht leicht, weil ich mir selbst nicht so recht glaube. Es fällt mir schwer, Mitgefühl mit mir selbst zu haben. Doch ich will meine Einstellung zu mir und meiner Geschichte verändern. Ich übernehme die Verantwortung für alles, auch die schlimmen Dinge. Sie gehören dazu und machen mich aus. Nun wird es Zeit, neue Wege auszuprobieren. Ich nehme mir vor, an der nächsten Kreuzung nicht mehr einfach geradeaus weiter zu gehen. Ich will den Blick öffnen und die Weite wahrnehmen.

Ich stelle fest: so neu ist das gar nicht. Ich kam schon längst vom Weg ab. Ich bin abgebogen, habe im Kreisverkehr nach schöneren Zielen gesucht und bin manchmal auf den gewohnten Weg zurückgekehrt. Aber nur für eine kurze Strecke. Dann gefiel mir die Landschaft nicht mehr und ich suchte nach neuen Aussichten.

Prima. Optimistisch liste ich auf, was es jetzt schon zu sehen gibt:

  • die Familie rückt zusammen
  • mentaler und realer Ballast wird entsorgt
  • der Ballast, der noch nicht entsorgt ist, wird akzeptiert
  • mutig plane ich Neues und Unbekanntes
  • der Entschluss, Neues und Unbekanntes auch wirklich anzugehen, wird gestärkt
  • ich weiß, dass ich wahrscheinlich alte Muster mit einem neuen Partner leben würde, darum bin ich zufrieden mit meiner Entscheidung, nicht zu suchen
  • vielleicht wird sich eine Liebe finden, wenn ich meine neuen Wege weit genug gegangen bin
  • vielleicht auch nicht, dafür wird es andere Schätze zu entdecken geben
  • vielleicht werde ich meine Sichtbarkeit eines Tages so richtig genießen
  • ich habe gehört, wie positiv ich auf andere Menschen wirke, wenn ich lache und albern bin
  • also wird mich mein Humor begleiten, egal, was passiert!

Vielleicht kreuzen sich unsere Wege ab und zu. Würde mich freuen!

 

 

Der Tag danach

Der Tag danach

Ein ereignisreiches Wochenende liegt hinter mir. Familienaufstellungen im großen Kreis erfordern eine Bereitschaft zu einer ganz besonderen Kommunikation. Die hatten wir und ich fühle mich allen Teilnehmenden noch heute eng verbunden. Drei Tage Intensivsport für die Seele hinterlässt einen leichten Muskelkater. Ich fühle mich angeschlagen. Ich brauche Ruhe und nehme sie mir. Nicht im Bett, aber im Haus. Alleinsein ist angesagt. Vielleicht verabschieden sich dann auch meine Halsschmerzen, die mich schon einige Tage lang plagen!

Durch den Garten unserer Therapeutin fließt ein künstlicher Wasserlauf. Ein Teilnehmer sah, dass eine große Masse Herbstblätter sich daran machten, diesen zu verstopfen. Er reinigte den Bach und sah, wie das Wasser wieder munter sprudelte. Ihm fiel dabei folgender Satz dazu ein: Ich reinige den Fluss des Lebens und die Liebe kann wieder fließen. Ein perfekter Leitsatz für uns! Ein anderer Teilnehmer trug folgenden Text vor:

Die Gedanken einer Kerze

Jetzt habt ihr mich entzündet und schaut in mein Licht. Ihr freut euch an meiner Helligkeit, an der Wärme, die ich spende. Und ich freue mich, dass ich für euch brennen darf. Wäre dem nicht so, läge ich vielleicht irgendwo in einem alten Karton – sinnlos, nutzlos. Sinn bekomme ich erst dadurch, dass ich brenne.

Aber je länger ich brenne, desto kürzer werde ich. Ich weiß, es gibt immer beide Möglichkeiten für mich: Entweder bleibe ich im Karton – unangerührt, vergessen, im Dunkeln – oder aber ich brenne, werde kürzer, gebe alles her, was ich habe, zugunsten des Lichtes und der Wärme. Somit führe ich mein eigenes Ende herbei.
Und doch, ich finde es schöner und sinnvoller, etwas herzugeben zu dürfen, als kalt zu bleiben und im düsteren Karton zu liegen….
Schaut, so ist es auch mit euch Menschen!
Entweder ihr zieht euch zurück, bleibt für euch – und es bleibt kalt und leer-, oder ihr geht auf die Menschen zu und schenkt ihnen von eurer Wärme und Liebe, dann erhält euer Leben Sinn. Aber dafür müsst ihr etwas in euch selbst hergeben, etwas von eurer Freude, von eurer Herzlichkeit, von eurem Lachen, vielleicht auch von eurer Traurigkeit.
Ich meine, nur wer sich verschenkt, wird reicher. Nur wer andere froh macht, wird selbst froh. Je mehr ihr für andere brennt, um so heller wird es in euch selbst. Ich glaube, bei vielen Menschen ist es nur deswegen düster, weil sie sich scheuen, anderen ein Licht zu sein. Ein einziges Licht, das brennt, ist mehr wert als alle Dunkelheit der Welt.
Also, lasst euch ein wenig Mut machen von mir, einer winzigen, kleinen Kerze.»

Tief berührt nahm ich mir vor, mein Licht zukünftig wieder etwas heller strahlen zu lassen. Aber erst einmal stellte ich meine aktuelle Familiensituation auf. Zur Familie gehören der (verstorbene) Vater und geschiedene Ehemann, meine zwei Kinder und ich. Spät nahm ich zur Kenntnis, dass ich beim Auswählen der Stellvertreter mich selbst vergaß. Ich wollte munter loslegen, als mich die Therapeutin fragte, ob die Familie vollständig sei. Einige Teilnehmende grinsten still vor sich hin. Ich kam nicht sofort darauf, dass ich selbst es war, die fehlte. Ja, so bin ich. Und ja, genau das spiegelt so vieles wieder.

Ich sah, fühlte und hörte Neues über mich und meine Liebsten. Vieles war mir allerdings bekannt, nur nicht in dieser Eindeutigkeit. Ich wurde gestärkt, unterstützt und herzhaft umarmt. Ach, wie gut mir das tat!

Ich frage mich immer wieder, wie diese Aufstellungen funktionieren. Wieso die Stellvertreter und Stellvertreterinnen so genau Bescheid wissen. Aber ist eigentlich auch egal. Mir zeigte der Blick von außen, was in der Vergangenheit passiert ist, wie mein System in der Gegenwart aussieht und er macht mir Mut für die Zukunft. Meine Kinder beginnen zu verstehen. Ich werde mich sichtbar machen. Ich bin wieder da! Ich kriege das hin!

Vor ein paar Tagen schrieb ich in unserem Gemeinschaftsblog folgende Zeilen:

Meine Kinder
Meine Kinder, heute sage ich Euch:
Wir wollten so vieles anders und besser machen
als unsere Eltern.
Dass es uns nicht gelungen ist,
tut mir sehr leid.
Verborgene schädliche Beziehungen
und Verstrickungen unserer Familien
setzten wir fort.
Und so hattet Ihr nicht die Kindheit,
die ich Euch gewünscht hätte.
Manches muss jetzt heilen.
Meine Kinder, dass Ihr darüber mit mir sprecht
und wir gemeinsam beginnen
zu erkennen und zu verstehen
zeigt mir,
dass wir doch auch vieles gut und richtig machten.

Heute komme ich der Wahrheit noch ein Stückchen näher. Nach der Aufstellung sehe ich klarer. Ich kann benennen, was vorher für mich nicht zu erkennen war. Ich fühle mich entlastet. Ich verbrauche für das Herumdenken, Schuldzuweisen und Traurigsein keine unnötige Energie mehr. Das nehme ich mir fest vor. Ich werde meine Reserven auffüllen und mit neuer Kraft die Mutter sein, die ich sein möchte.

Ich reinigte den Fluss meines Lebens und die Liebe kann fließen.

Endlich

Ganz schön blöd hier

Ganz schön blöd hier

Nun ist die Haushexe wieder da. Leider. Haushexe sage ich mal hier ganz unter uns. Ich darf nicht Hexe zu ihr sagen, auf keinen Fall. Ich soll mich benehmen, wenn ich bleiben will. Ich verstehe nicht, was an Hexe schlimm sein soll. Aber sie, die Haushe Hausfrau will das nicht. Hausfrau auch nicht. Ich soll Frau Holle sagen.

Also die Hausfrauholle war ein paar Tage weg. Packte ihr Köfferchen und fuhr mit der Bahn jemanden besuchen. Herrlich blöd und furchtbar kompliziert. Warum nimmt sie nicht ihren Besen? „Der kann nicht fliegen“, sagte sie und ging. Ich rief ihr nach: „Siehst du, hexen wäre doch ganz schön angenehm, oder?“

Als sie wieder hier anmarschierte, wurde sie sauer. „Mach das sofort wieder ordentlich!“ Das war ihre unverschämte Begrüßung, bevor sie ins Bett verschwand. Sie war so fertig von der Reise und von meiner Ordnung. Ich hatte die Alleinseintage gut genutzt, um es hier gemütlicher zu machen. Habe alles umgeräumt und ausgeräumt und neu eingeräumt. Die Bücher wurden weggeräumt. Die sind zu nichts nutze ohne Magie. Dann sah es hier aus, wie sich das in einem echten Hexenhaushalt gehört. Wozu ging man denn Jahrzehntelang in die Hexenoberschule? Ich schuf auch noch eine anständige Feuerstelle und das Ambiente war perfekt. Ohne Feuer kein Hexenkessel und ohne Hexenkessel kein Zauber. Aber dafür hatte die Haufrauholle kein Verständnis. Strohdumm und unkultiviert, diese Ureinwohnerin. Sie sagte, dass man im Haus auf dem Fußboden kein Lagerfeuer machen darf und ich soll ihren Kochtopf auch wieder in den Ursprungszustand zurückversetzen. Sie will keine Hexenkessel im Haus und am liebsten auch keine Hexe. Ihr reicht der Frosch.

Nun ist alles wieder ungemütlich und die Feuerstelle ist abgeräumt. Die Bücher sind farblich sortiert der Größe nach eingeräumt und das war dann auch wieder verkehrt.  Frauhausholle kriegt die Krise, weil sie nun nichts mehr wieder findet. Egal. Die wird sich schon wieder einkriegen.  Den Brandfleck auf dem Boden kann ich ja bei Gelegenheit wegzaubern, wenn mein Zauberbuch hier auftaucht.

Oder ich tauche ab. Bald ist Hexentanz auf dem Brocken und ich darf das erste Mal teilnehmen. Ich muss vorher unbedingt meinen Besen und mein Buch wieder haben. Auf dem Ohr ist die alte Hausfrau taub. Da kann ich rumschreien und toben, nützt nichts. Ich werde demnächst den Hexit einleiten. Unsere Wege müssen sich trennen.

Die alte Frau nickt und sagt, wir können sofort beginnen zu verhandeln.

Doppelbotschaften

Doppelbotschaften

Geh weg – und bleib hier.

Bleib hier – und mache dich unsichtbar.

Lass mich – aber kümmre dich um mich.

Kümmere dich um mich – und bleibe fern.

Halte mich nicht – und lass mich nicht gehen.

Lasse mich nicht gehen – und laufe mir nicht nach.

Lass mich nicht allein – und lass mich los.

Liebe mich – und lass mich zufrieden.

Lass mich zufrieden – und hilf mir.

Sei da – aber nicht zu nah.

Komm mir nicht zu nah – und umarme mich.

Sei schlau – aber nicht so schlau wie ich.

Sei selbstständig – und sei so wie ich.

Sei so wie ich –  und sei ganz du selbst.

Sei ganz du selbst – und sei so, wie ich dich brauche.

Sei natürlich – und sei ganz Frau.

Sei ganz Frau – aber nicht zu sehr.

Ich will dich – und ich will dich nicht.

Was tun?

Cosima

Cosima

Also, das ist mir ja seit 296 Jahren nicht mehr passiert. So ein Jungmann hat mich herausgerissen aus meinem Hexenharz und irgendwo anders abgeliefert. Keine Berge. Keine Hexen. Nix. Kein Wald. Keine vernünftige Gesellschaft. Nur so eine alte, häßliche Frau, die sich ab und zu mit so einem komischen Frosch unterhält, schlurft hier rum. Sonst nix. Auch der Jungmann ist weg. Besen verloren. Kater verloren. Hexenbuch weg. Zauberkraft weg. Und ich sitze in so einem blöden Regal herum, umgeben von blöden Büchern. Alles riesig hier. Ich war ja schon immer die Kleinste, aber hatte immerhin meinen Besen, um mich hoch zu schrauben. Ich hatte Gesellschaft.

Nun sitze ich hier fest. Cosima, die Junghexe kurz vor der Schwelle des Erwachsenseins und Allesdürfens, sitzt fest. Irgendwo im Nirgendwo. Ich will nicht mehr im Regal leben und stehe auf. Vorbei die Zeit, in der ich so tue, als sei ich ein doofes Andenken ohne Hirn. Ich schleiche mich aus der Stube und versuche die Treppe zu erklimmen. Mühsam, mühsam und richtig scheiße schlimm, nicht fliegen zu können. Ich komme nicht ganz hoch und klammere mich am Treppenabsatz fest und warte ab.

DSC_0073Da klappert die Haustür und die alte Frau kommt rein, sieht mich da sitzen und sagt: „Huch!?“ Sie stellt ihre Einkaufstasche ab, zieht sich die schreckliche Jacke aus, blinzelt mich an und nimmt mich mit. Frechheit sowas. Ich zapple herum und schreie, dass ich alleine gehen kann. Und wenn sie mir einen neuen Besen besorgt, auch fliegen, verdammt noch mal! Die alte Frau hockt sich auf ein scheußliches Sofa, setzt mich auf einen bekloppten Tisch und zieht sich ihre fürchterliche Brille an. „Ach je, die Harzhexe“, sagt sie und schüttelt den Kopf. „Du warst doch im Regal, oder? Ich dachte, du bist ein Andenken.“ Ja, von wegen! Nun hat sie mich also erwischt und ich klage ihr mein Lied, also mein Leid meine ich.

Betroffen sieht sie mich an, die alte, schreckliche Frau. Als sie mich auch noch fragt, ob ich etwa bleiben will, flippe ich aus. Wo soll ich denn hin? Ohne Besen und Hexenbuch? Natürlich bleibe ich. Die Alte mag nicht angeschrien werden, sagt sie. „Wenn du bleiben willst, gewöhne dich daran, dass ich hier das Sagen habe!“, fügt sie hinzu. Ich kriege die Hexenkrätze! Ich lasse mir doch von einer alten, senilen Frau nichts sagen. Ich bin Cosima, 296 Jahre alt und bald erwachsen! Ich sage also ziemlich laut und nachdrücklich:“ Wenn du irgendetwas unternimmst, was ich in meiner großartigen und unvergleichlichen Weisheit für Tabu halte, werde ich….., werde ich, äh.“ Peinlich, mir fiel nichts ein, was ich dann tun werden. So ohne Zauberbuch und Hexenbesen bin ich aufgeschmissen.

Die alte Frau steht auf und sagt:“ Ich heiße Frau Holle und bin auch unvergleichlich großartig und weise und das Haus gehört mir. Ich bin hier die Bestimmerin!“

Mano. Wo bin ich denn hier gelandet?

Zeit

Zeit

„Das Wochenende ist schon bald wieder vorbei. Ich fasse es nicht“, sagte mein Sohn gestern bedauernd und ich fand, dass ich es nicht fasse, dass schon wieder Oktober ist. Mein Verhältnis zur Zeit ist gestört. Wobei ich nicht weiß, ob ich überhaupt ein Verhältnis mit der Zeit haben kann.

Aber Verhältnis stimmt schon irgendwie. Und gestört auch. Eben war Ostern und heute Nacht gab´s schon den ersten herbstlichen Nachtfrost. Dabei ist in mir noch gefühlter Sommer. Einerseits kommt es mir so vor, als ob ich in einem Schnellzug durch mein Leben rase. Auf der anderen Seite war ich sehr erstaunt, dass unser Haus erst in diesem Jahr verkauft wurde. Mir kommt das schon ewig vor und ich musste mich schwer zusammenreißen, diesen Tatbestand zu glauben.

In drei Tagen fahre ich weit, weit weg. Also nicht wirklich, ich bleibe immer noch in Niedersachsen. Trotzdem kommt es mir so vor, als mache ich eine kleine Weltreise, weil ich schon so lange nicht mehr alleine mit der Bahn gefahren bin. Aber das ist ein anderes Thema und hat nichts mit dem Zeitgefühl zu tun. Oder doch? Das ist wohl eher das Körpergefühl. Ich bin nicht mehr so standfest wie in früheren Jahren. So gesehen fühle ich mich ziemlich alt. Hat also doch etwas mit der Zeit zu tun, mein leichtes Unbehagen.

Also, ich fahre in drei Tagen weg und bin in fünf Tagen schon wieder da. Zwei Tage sind keine lange Zeit, kommt mir aber so vor, zumal ich in fünf Tagen nach meiner „kleinen Weltreise“ mit meinen Söhnen verabredet bin. Das kommt ja selten vor und ich freue mich so. Darum kommt es mir noch ewig vor bis Samstag. Ich muss ja noch viel erledigen bis dahin. Wegfahren, Besuch bei der Freundin genießen, zurückfahren. Und am gleichen Tag dann meine Söhne treffen. Was nur klappen wird, wenn die Bahn so fährt, wie sie soll.

Wenn ich an meine Silvesterunternehmung in Nordfriesland denke, kommt es mir so vor, als sei das schon ganz bald. Ich freue mich, bin etwas aufgeregt, plane schon die Autofahrt und lache über mich, wenn ich mich am liebsten über die Staugefahr informieren möchte. Dann fällt mir auf, dass ich noch über zwei oder fast drei Monate Zeit habe. Kommt mir so kurz vor, aber auch lang, weil ich vorher ja noch allerhand zu tun habe:

  1. Mit meinem jüngsten Sohn werde ich nächste Woche Geburtstag feiern. Mein Baby wird 31 und wieder frage ich, wo bloß die Zeit geblieben ist. Rasend schnell vergangen, oder? Mein Sohn findet das nicht.
  2.  Ich werde in etwas drei Wochen (oder zwei Wochen? Schnell mal nachgerechnet: ne, zwei Wochen!) ein Wochenende mit Familienaufstellungen verbringen. Das ist aufregend. Zumal ich nie weiß, ob sich meine Panikattacken wieder melden, sobald ich mit so vielen fremdem Menschen in einem Raum zusammen bin.
  3.  Ich freue mich im November auf Moving Shadows mit Freundinnen und ein Wochenende in Berlin mit meinen Söhnen.
  4.  Und dann ist Dezember und so. Also ist Weihnachten doch schon ziemlich nah, obwohl ich noch meine Sommergefühle fühle. Es ist jetzt also höchste Zeit, die Herbstdeko herauszusuchen, denn sonst wird die Zeit bis zur Weihnachtsdeko zu knapp.

Eigentlich sollte die Zeit doch gleichmäßig fließen. Tut sie für mich aber nicht. Es kommt mir vor, als hätte ich noch viel Zeit, bis ich heute zur Schreibwerkstatt muss. In drei Stunden muss ich erst da sein. Aber ich will vorher noch meine Hausaufgaben machen. Dazu werde ich nicht genug Zeit haben. Weil ich hier und jetzt über die Zeit nachdenke, werde ich gleich ohne Hausaufgabe losgehen. Und mich schämen, dass ich keine Zeit dafür hatte. Obwohl, wenn ich so richtig darüber nachdenke, hätte ich zwei Wochen dafür Zeit gehabt. Aber die ist so schnell vergangen.