Ein älterer Herr mit Hund nickte mir zu, als ich gestern vorbei radelte. Mit einem deutlichen Akzent grüßte er mich freundlich und sagte, er wolle mich etwas fragen. Ich hielt an und war gespannt. Er wollte wissen, ob ich früher einmal Lehrerin war. Ja, war ich. Er kannte mich, ich ihn überhaupt nicht. Er lachte, als ich das zugab und meinte, er wäre damals ein kleiner Junge gewesen. Ja, was soll ich sagen. Das war kein alter Mann, das war Robert, ein ehemaliger Schüler. Vor etwa 30 Jahren gab ich Unterricht für Spätaussiedler. Robert hatte Einzelunterricht bei mir. Meine Güte, wenn er schon so alt ist, wie alt bin ich dann erst? Dachte ich und vergaß den Gedanken sofort wieder. Wir unterhielten uns noch eine Weile und es erstaunte mich, wie viel er über mich wusste. Er sagte, dass er sich damals immer so auf mich gefreut hatte.
Dass er mich überhaupt nach so langer Zeit erkannte, war ein kleines Wunder. Er sagte, dass ich ein wichtiger Mensch für ihn gewesen sei. Seine Kinderjahre im Wendland blieben ihm gut in Erinnerung. Jetzt lebt er woanders, aber ab und zu kehrt er in die alte Heimat zurück. Allerdings sind die Menschen hier sehr eingeklemmt, das würde er immer wieder merken. Woanders sind sie offener. Ich antwortete: „Na ja, die einen sagen so, die anderen so!“ Er bleib bei seiner Meinung. Die Älteren wären wohl anders, aber die Jungen sind doch sehr eingeklemmt. Wir plauderten noch eine Weile und dann stieg ich wieder auf mein Rad. Ich fühlte mich beschwingt und trat ordentlich in die Pedale.