Nein, meine Angststörung ist nicht verschwunden. Sie gibt nur meist Ruhe, weil ich alleine lebe. Und darum ist mein Dasein kein Zufall. Bindungsstörung, soziale Phobie, Angststörung, egal wie ich die seltsamen, diffusen Gefühle und körperlichen Reaktionen nenne, sie beeinträchtigen mich und weil ich das nicht weg therapiert kriege, lebe ich damit.
In der letzten Zeit bin ich stärker mit meinen schlimmen inneren Gesellen konfrontiert, weil ich „nach Corona“ wieder ein soziales Leben habe und dies auch weiter ausbaue. Ich habe gelernt einzuschätzen, was körperlich passiert und wie die Angst einzuordnen ist. Das ist gut. Schlecht ist, dass alle geplanten Unternehmungen, auf die sich die meisten freuen, mir erst einmal schwer zu bewältigen, dunkel und gefährlich erscheinen. Besonders intensiv arbeiten diese Gefühle und Gedanken morgens. Im Laufe des Tages strahlen die Farben wieder und ich kann mich zur Freude und Vorfreude vorarbeiten.
Ich übe mich darin, die Angst nicht so ernst zu nehmen, die Emotionen anzuerkennen und sie dann aber auch ziehen zu lassen. Ich akzeptiere, dass ich oft erschöpft bin, bevor und nachdem ich etwas unternommen und Nähe zu Menschen gelebt habe. Ich wachse ja auch gleichzeitig und fühle mich lebendig.
Wer diesen Zustand nicht kennt, kann meine Schilderung hier nicht nachvollziehen. Wer sich mit Ähnlichem herumschlägt, weiß, wie anstrengend es sein kann, sich dem immer wieder auszusetzen. Wir sind tapfer und machen, denn wir wollen ja auch nicht vereinsamen, weil es einfacher zu sein scheint.
Ich wollte mich gestern unter Leute mischen und steuerte einen Dorfflohmarkt an. Als ich die Menschenmassen sah, spürte ich deutlich, dass mir das Gedränge zu viel sein wird und ich lieber alleine sein wollte. Ich hörte auf mein Bauchgefühl, kehrte um und radelte wie gewohnt mit mir selbst durch die Landschaft. Es gibt eben auch Zeiten, in denen ich mich erholen und ausruhen will. Dann geht das mit den sozialen Kontakten später umso besser.
Beim Fotografieren höre ich auf, mich mit mir zu beschäftigen. Ich fokussiere mich auf das, was ich sehe. Und darum tut mir mein Fotoapparat so gut.
Gestern sah ich hauptsächlich Strukturen, Linien, Technik und die herbstliche Farben der Natur. Und das Glitzern im Wasser. Aber das bekam ich nicht so richtig eingefangen. Nicht alles lässt sich von mir festhalten und das ist auch gut so.