Homo sapiens hat schon immer die Umwelt verändert und ausgerottet, was ihm nicht passte. Und er wurde mit der landwirtschaftlichen Revolution vor etwa zehntausend Jahren Opfer der Luxusfalle, in der wir heute noch leben. Das schrieb Yuval Noah Harari in seinem Buch: Die kurze Geschichte der Menschheit. Pantheon 2015
Aha, denke ich, kein Wunder, das alles, wir sind ja immer noch Homo sapiens (lateinisch für „verstehender, verständiger“ oder „weiser, gescheiter, kluger, vernünftiger Mensch“). Menschengemachte Umweltkatastrophen sind nicht neu. Tier-und Pflanzenarten verschwanden schon immer, sobald Homo sapiens auftauchte. Die Gegenwart ist also keine Ausnahme, sondern nur die logische Fortsetzung unserer Geschichte. Wir werden allerdings immer besser darin, denn der Fortschritt macht keine Pause.
Und mit der Luxusfalle sind wir in guter Gesellschaft. Auch die ist nicht neu. Wenn wir über Luxus (Üppigkeit, Ausschweifung, Verschwendung) verfügen, empfinden wir Freude. Aber nicht lange, denn Luxus wird schnell alltäglich und dann wollen wir mehr davon. Wir merken nicht, wie uns der Luxus in Wirklichkeit immer weiter einschränkt. Na ja, wir merken es manchmal schon, nämlich dann, wenn wir unzufrieden oder krank werden. Der technische Fortschritt hat uns keine Zeit und Ruhe geschenkt, sondern er ist ein purer Zeitfresser. Je mehr technische Geräte wir im Haus haben, umso weniger Zeit für Muße steht uns zur Verfügungen. Wenn wir modern, aufgeschlossen und jung bleiben wollen, tun wir gut daran, den technischen Fortschritt fröhlich mitzumachen. Wenn wir nicht mithalten können oder wollen, werden wir schnell abgehängt und nicht mehr ernst genommen. Ich als Rentnerin leiste es mir, nicht alles zu besitzen, was es gibt und mich mit alten Geräten zufrieden zu geben. Das stößt aber auf Unverständnis und ein mildes Lächeln bei den Kindern und anderen, die es wichtig finden, fortschrittlich zu sein.
Reisen war früher ein Luxus, den nicht jeder haben konnte. Wollten wir aber. Und je mehr (technisch) möglich wurde, umso größer wurden die Begehrlichkeiten. Ich spreche jetzt mal ganz allgemein und wir wissen, dass es Ausnahmen gibt. Reisen sind bei vielen also kein Luxus mehr, sondern ein Menschenrecht. Jedenfalls bei uns Wohlhabenden. Wir können und wollen uns nicht einschränken. Wir wollen Luxus-Glück erleben. Das Dumme ist nur, dass wir immer weiter, höher oder sogar tiefer müssen, um dieses Glücksgefühl erneut erleben zu können. Und ich wette, dass die meisten Reisenden mehr denn je unter Stress und Zeitmangel leiden. Und die Einheimischen verdienen zwar Geld, aber leiden auch, ich habe auf Föhr gelebt, ich weiß, wovon ich spreche.
Wir stumpfen ab. Was das erste Mal befriedigend war, ist es beim zweiten Mal oft nicht mehr. Es müssen also immer neue Ziele gesucht werden. Letztendlich landen wir auf Kreuzfahrtschiffen, die immer „größer und besser“ werden, um attraktiv zu bleiben. Insofern ist es zu verstehen, warum so viele Menschen auf das Reisen nicht verzichten können, auch wenn alle wissen, dass die Mobilität uns allen nicht gut tut. Sie zerstört die Umwelt und jetzt trägt sie auch noch dazu bei, dass es der Pandemie so richtig gut geht. Homo sapiens kann nicht anders.
„Und nun?“, denke ich bei meiner Lektüre. „Was mache ich nun damit?“ Aufgeben? Mit einem Achselzucken weitermachen, weil ich sowieso nichts ändern kann?
Ich stelle mir gerade die Frage, ob ich dieses Buch nicht lieber weglegen will. Nein, sagt meine Vernunft, da stehen noch viele schlaue Sachen drin und witzig geschrieben ist es ja auch. Weltuntergangstimmung erzeugt es bei mir nicht, sondern ein Verständnis unserer heutigen Situation. Homo sapiens ist eben moralisch gesehen auch nicht besser als das Virus.