Endlich treffen sich die Philosophen wieder in der Volkshochschule. Nach einem Jahr Pause arbeiten wir ein ganzes Semester mit dem Buch: Haben oder Sein. Die seelischen Grundlagen einer neuen Gesellschaft von Erich Fromm. Der Klassenraum ist gut gefüllt. So viele waren wir noch nie. Eine gute Mischung von „alten Hasen“ und Neuhinzukommern, von Männern und Frauen, die meisten im Rentenalter.
Ich sitze mittendrin und fühle mich wohl. Es macht so viel Spaß Ansichten, Einsichten und Lebenserfahrung auszutauschen. Unser Konsumverhalten ist das erste Thema und wir geben ehrlich zu, dass wir alle konsumieren und unsere Schwächen haben. Bei mir sind es die Bücher. Ich kaufe mir mehr, als ich mir eigentlich erlauben kann. Ich leihe sie nicht aus, ich lese sie nicht elektrisch, sondern ich möchte sie haben und aufheben. Nun gut, es gibt schlimmere Laster. Ich habe mir das Buch von Erich Fromm gekauft, aber leider nicht mit. Als einzige nicht. Du meine Güte. Mein Sitznachbar lässt mich in seinem Buch mitlesen. Zum Glück kommen wir sowieso nicht weit. Wir studieren gerade mal das erste Kapitel der Einführung, das sind zwei und eine halbe Seite. Über das „Ende einer Illusion“ diskutieren wir, bis unsere Zeit um ist. Alle sind sich einig, dass Menschen im „Sein“ glücklicher sind als im „Haben“. Außerdem stellt die Mehrheit fest, dass Trump nicht glücklich ist. Ich weiß nicht, wie man das wissen kann. Nur er selbst weiß, ob er glücklich ist. Aber eigentlich interessiert mich das überhaupt nicht….
Die Frage, ob wir glücklich wären, wenn wir uns jeden Wunsch sofort erfüllen könnten, wurde verneint. Mein Vorschlag, mich für einen Versuch zur Verfügung zu stellen, meine Kontonummer anzugeben und in einem halben Jahr zu berichten, ob diese Situation wirklich unglücklich macht, wird mit einem Lachen abgetan. Vielleicht sollte ich an dieser Stelle mal ein Crowdfunding starten. Forschen wir gemeinsam, Ihr finanziert und ich berichte Euch……
Fröhlich verabschieden wir uns und ich freue mich auf Dienstag, dann nehme ich mein eigenes Buch mit. Außerdem werden wir einen Termin für ein Wochenende verabreden. Haben oder Sein in der Lernscheune mit viel Zeit. Herrlich.
Es trägt zum Glücklichsein bei, sich auf etwas zu freuen. Ich plane immer ein paar Highlights auf das Jahr verteilt ein. Aktuell sind es heute ein Spielenachmittag (Monopoly(!) in einer neu zusammengestellten kleinen Gruppe), eine Reise nach Föhr, ein Familientreffen, eine Reise nach Dänemark und vieleicht die erste Knie-OP. Das ist wohl alles mehr im „Sein“ angesiedelt, obwohl ohne ein gewisses „Haben“ ja auch nicht möglich. Oder?
Ist Freude gleich Glück? Ich weiß es nicht. Ich fühle beides eher verhalten, nicht so wie früher, wo die Freude stürmisch um die Ecke bog und für heftiges Bauchkribbeln und Herzflattern sorgte. Heutzutage genieße ich es ruhiger und gelassener. Ich übe mich darin, alles so zu nehmen, wie es kommt und damit zufrieden zu sein, so wie es ist. Das gelingt immer besser. Ist das schon Glück?
