Wo kommt denn dieses Buch her, denke ich, als ich in meinen Regalen Lesefutter „für unten“ (Sachbücher lese ich gerne tagsüber unten, während es für das Bett oben lieber Romane sind) suche. Seit wann besitze ich das denn? Und warum hatte ich es noch nicht in meiner Hand? Ist das Zauberei, hat es jemand heimlich in meine Büchersammlung geschmuggelt, ist es pure Vergesslichkeit oder hat der Inhalt einfach noch nicht gepasst? Seltsam.

Neugierig lese ich den Prolog und bin gleich gefangen. Ich will einfach immer weiter lesen. Manchmal brauche ich eine Pause, wenn sich die Schwere zu sehr auf die Seele legt. Dann muss ich Abstand gewinnen und mich auf mich im Hier und Jetzt konzentrieren. Und später denke ich an meine Omas, Großtanten, Tanten, die Männer meiner Familie und vor allen Dingen an meine Eltern. Sie alle lebten in Hamburg und Berlin, könnten wohl aber ähnliche Geschichten erzählen. Ein Thema des Buches ist auch das Sterben der eigenen Eltern und das berührt mich sehr. Ich denke gerade sehr oft an sie und an die Fragen, die ich hätte stellen können. Und daran, dass ich oft nicht richtig zuhörte, wenn sie erzählten. Ich war zu sehr mit meiner eigenen Abgrenzung beschäftigt. Einiges erfuhr ich erst viel später, als sie beide dement waren und es mit den Tabuthemen nicht mehr so ernst nahmen. Aber das ist eigentlich eine andere Geschichte.

Die Autorin ist elf Jahre älter als ich, was in dieser Zeit einen gewaltigen Unterschied macht. Sie ist ein Kriegskind und hat ganz andere Dinge erlebt als ich, das Nachkriegskind.

In diesen Tagen, in denen sich unser Leben im Wohlstand irgendwie aufzulösen scheint, ist es das passende Buch für mich. Also lese ich mich in eine Zeitreise hinein, die mir auch mein eigenes Frausein wieder einmal neu erklärt.

Angela Thomson, Bleib immer neben mir. Ein deutsches Frauenleben, Rowohlt 2005

https://www.deutschlandfunkkultur.de/geschichte-einer-frau-im-20-jahrhundert-100.html

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