Verschickt

Zufällig sah ich folgende Reportage:

https://www.daserste.de/information/reportage-dokumentation/dokus/videos/exclusiv-im-ersten-gequaelt-erniedrigt-drangsaliert-video-102.html)

Ich war wie vom Donner gerührt. Als Kind wurde ich gleich zweimal nach Wyk auf Föhr verschickt. Ich war fünf und acht Jahre alt und kann mich kaum daran erinnern. Aber als ich sah, wie zwei Männer und eine Frau meiner Generation über ihre Zeit im Kinderkurheim in Wyk sprachen, erkannte ich ihr Leid und plötzlich wusste ich, ich hatte genau das auch erlebt. Es muss furchtbar für die kleine Regine gewesen sein. Ich dachte bisher: Ich wurde verschickt und hatte furchtbares Heimweh, weil ich eben eine Heulsuse war. Dass es wirklich für uns Kinder schrecklich gewesen sein muss, diese Idee kam mir gar nicht. Ich war das Problem. Die Erwachsenen meinten es gut mit uns.

Erst als ich sah, wie andere sich an ihr Leid erinnerten, dass es eine Initiative der „Kur-Kinder“ gibt, die sich um Aufklärung bemüht, gestand ich mir zu, das Leid der kleinen Regine anzuerkennen. Ich dachte an das kleine Kind, welches ihre Gefühle abspaltete, um die Zeit im Kurheim zu überstehen und schnell das meiste vergaß. Und wenn ich mich an Ungeheuerliches erinnerte, machte ich das ohne Emotionen. Jetzt ahne ich, wie schlimm es wirklich war. Ich weiß, dass diese beiden „Kuren“ unbewusste Auswirkungen auf mein weiteres Leben hatten. Eine Tür ging auf und ich will noch gar nicht wissen, was dahinter liegt. Erst einmal spüre ich die Schmerzen der Kleinen und weine mit ihr. Nicht immerzu, aber ab und zu.

Ich kann es nicht fassen, dass ich meine Erinnerungen so perfekt löschte, so dass ich jahrelang in der Lage war, in diesem Heim als Lehrerin zu arbeiten, ohne mich groß an die Ereignisse zu erinnern, die ich dort als kleines, wehrloses Kind durchlitt. Ich war hier zur Kur, habe brav zugenommen und hatte Heimweh. Fertig.

Gibt es unter Euch auch „Verschickungskinder?“

 

 

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Was ein Kuhhirte in mir auslöst

Gestern sah ich eine berührende Reportage über einen außergewöhnlichen Mann. Von der Hitze angeschlagen hing ich schlaff im Sessel vor dem Fernseher und staunte, was der menschliche Körper leisten kann. Mich beeindruckten die Bilder zutiefst und ich freute mich, dass es Menschen gibt, die so sehr im Einklang mit der Natur leben und sich für deren Erhalt einsetzen. Na gut, nicht jeder kann Kühe im Gebirge hüten, aber dass ein Brice Delsouiller überhaupt existiert, ist doch interessant und schön anzusehen.

Arte schreibt: Brice Delsouiller ist Kuhhirt in den Pyrenäen und verbringt mit seinen Tieren sechs Monate auf den Sommerweiden auf 3.000 Meter Höhe. Hier hat er für sich die Freiheit des Laufens entdeckt, es gibt für ihn kein anderes Glück als die grenzenlose Weite der Berge: Er kann nur leben, wenn er beim Skyrunning, einer Art Extrem-Berglauf, das Letzte von seinem Körper abverlangt.

Der 36-jährige Brice Delsouiller ist ein ungewöhnlicher Mann – sechs Monate im Jahr verbringt er auf den 3.000 Meter hoch gelegenen Sommerweiden in den Pyrenäen, um Kühe zu hüten. Der Enge des Alltags seines Heimatortes versuchte er sich seit jeher zu entziehen – und fand so nicht nur sein Glück in der Einsamkeit der Berge, sondern entdeckte eine weitere Leidenschaft: die des Skyrunnings, des Extrem-Berglaufs. Wer ihn beobachtet, traut seinen Augen nicht: Wie eine Gämse springt er von Bergkuppe zu Bergkuppe, stundenlang rennt er durch Täler und über Berghänge, durch unwegsame, steinige Landschaft. Brice Delsouiller hütet hier im Sommer etwa 400 Kühe, eine Mammutaufgabe, denn das Gelände ist unwegsam und Brice treibt seine Tiere immer höher, dorthin, wo das Gras am saftigsten, die Freiheit am größten ist. In seiner kleinen Berghütte lebt er ohne warmes Wasser, ohne Strom, ohne moderne Kommunikation. Nur mit seinen beiden Hunden und seinen Büchern. Seit 14 Jahren führt er dieses Leben als Hirte, erst vor vier Jahren hat er angefangen zu laufen. Zunächst, um seinen Hunden beim Hüten zu helfen, versprengte Tiere zu suchen oder um unten im Tal einzukaufen. Daraus wurde eine Sucht, eine Besessenheit, die ihn ständig an die eigenen Grenzen führt: „Ich weiß nicht, warum ich renne. Es ist eine Selbstverständlichkeit. Mein Körper wollte immer rennen. Ich fühle mich leicht, mächtig. Seit 14 Jahren lebt mein Körper in den Bergen, ist durch die Höhenunterschiede und den Mangel an Luft geformt und geschmiedet. Mein Körper hat sich komplett an die Bergwelt angepasst.“ Die Wettrennen in Katalonien und Andorra werden ihm zeigen, wo er steht, denn hier laufen die Besten.

https://www.arte.tv/de/videos/064565-024-A/geo-reportage/

Diese Geschichte machte Mut und inspirierte mich zum Weiterdenken. Ich fragte mich, welchen Sinn meine Lust am Alleinsein hat. Bisher dachte ich, dass ich vielleicht zu faul sei, mich regelmäßig um Gesellschaft und Unternehmungen zu kümmern. Ich erlaube mir ja immer längere Phasen, in denen ich alleine sein und alleine machen möchte. Ich bleibe meist in der näheren Umgebung und fühle mich dabei so friedlich und ruhig, wie ich es früher nicht kannte. Zuhause höre ich Musik, gucke Filme und lese. Ich tauche oft dabei richtig ab. Das Gefühl, im Einklang mit dem Leben zu sein, spüre ich so intensiv nur in dieser „Einsamkeit“. Ich mag es so gerne, Gedanken zu Ende zu denken und  zu spüren, was in mir vorgeht.

Allerdings mag ich nicht ständig alleine sein, sondern ich will auch Teil einer Gemeinschaft bleiben. Darum kümmere ich mich immer dann, wenn ich weiß, jetzt ist es gut und richtig, etwas Trubel in mein Leben zu bringen. Manchmal denke ich, dass ich regelmäßiger unter Menschen sein möchte und eine vertraute Zweisamkeit vermisse ich auch. Dann frage ich mich, ob ich mir das Alleinsein nicht nur schönrede, weil ich das andere eben nicht haben kann. Aber das wäre ja auch egal, weil mir die stillen Phasen so guttun. Nur die Gedanken daran, dass ich eigentlich mehr erleben, mehr Menschen um mich haben sollte, dass ich wahrscheinlich dabei bin, zu vereinsamen, stören mich in meiner Ruhe und ich weiß nicht, ob sie wahr sind oder ob das nur mein innerer Antreiber ist, der da spricht.

Während ich gestern die Reportage sah, wurde ich immer zufriedener mit mir. Ist irgendwie lustig, denn Brice und ich haben überhaupt keine Gemeinsamkeiten. Doch, eine klitzekleine fällt mir ein: ich bin fast täglich bei meiner kleinen Lieblingskuhherde und schaue ihnen eine Weile beim Grasen zu.

Mir gefiel so gut, was er sagte und einige seiner Gedanken werde ich weiter denken. Und während ich das tue, gehe ich in den Garten und gucke, was meine Blumen so treiben.

 

Gedanken einer Daheimgebliebenen

Gedanken einer Daheimgebliebenen

Freitag:  34 Grad

Alle sind am Meer. Nur ich nicht. Ich arme Wurst sitze hier und schwitze und das Zimmer ist abgedunkelt. Ich habe keine Lust zu gar nichts und keine Power. Ich kann nicht den ganzen Tag lesen. Also starre ich Löcher in die Luft. Mein DVD-Player gab gestern den Geist auf. Kein Zeitvertreib mit Filmen für mich. Ich weine in mein Taschentuch. Ich will ans Meer, aber da sind ja schon alle anderen und außerdem habe ich kein Wohnmobil. Und eine Ferienwohnung auch nicht. Und Gesellschaft erst recht nicht. Kein Meer für mich. Ist doch doof so etwas.

Es ist so ruhig hier. Stimmt, die Nachbarschaft links ist natürlich am Meer. Die Nachbarschaft rechts ist sogar in Dänemark am Meer. 😭 Wie schön für alle!

Ruhe und Stille im Garten den ganzen Tag über, auch am Wochenende! Das ist doch schon mal eine gute Voraussetzung für Urlaubsgefühle, denn normalerweise tobt ja hier das Leben (ohne mich). Aha, Stimmung steigt und ich nehme mir vor, mich ab morgen wie im Urlaub zu fühlen.

Samstag: 36 Grad

Ja, so mache ich das dann auch. Ich stehe um 5.30 Uhr auf und setze mich ins Auto. Sonnenaufgang unterwegs, Nebelschwaden auf den Wiesen und der See ist blitzblank geputzt. Die Sonne beginnt ihren Tageslauf, aber noch ist es schattig. Keinen Menschenseele zu sehen. Die Camper in ihren Wohnmobilen halten die Türen geschlossen. Ich marschiere los und will den See umrunden. Wenn ich wieder hier ankomme, werde ich mich ins kühle Nass begeben!!!!!! Der Gedanke treibt mich an. Es ist schon warm und Schweiß fließt. Ist in Ordnung, denn das sieht ja niemand. Mir kommt eine Radfahrerin in kurzen rosa Höschen entgegen, jung, gut geschminkt und frisiert. Wo die wohl herkommt? Sie fährt einhändig und starrt auf ihr Handy. Mich sieht sie lieber nicht.

Ich entdecke am Wegesrand  fein säuberlich aufgereiht bemalte Steine. Ein Schild klärt mich auf. Kinder malten und hoffen, dass viele Steine mitgenommen und anderswo niedergelegt werden. Ich suche mir vier aus. Drei nehme ich mit nach Hause und einen lege ich am gegenüberliegenden Ufer ab.

IMG_4082Diese Steine werden für ein paar Tage bei mir bleiben und dann verteile ich sie (vielleicht) in die Landschaft. Sie passen gut zu mir: Mond und Sterne liebe ich, dicke Dame sieht mir ähnlich und zum Regenbogen muss ich ja nichts erklären.

Ich wackle also mit den Steinen in meiner Tasche weiter um den See. Schwalben segeln durch die Lüfte, Kraniche rufen, Stare versammeln sich und Spatzen picken im Rasen herum.  Kühe rennen und bleiben stehen und gucken und die Weite macht mich froh. Der Gedanke an das Schwimmen treibt mich an. Schmerzen werden ignoriert und die Radfahrerin kommt mir schon wieder entgegen. Sie guckt aufs Handy und mich sieht sie schon wieder nicht. Blödes Weib!

Die ersten Hundebesitzer machen die Runde, grüßen freundlich, lassen ihre Viecher baden und werfen Stöckchen. Ich erreiche mein Auto, trinke die Wasserflasche leer und hole meine Badetasche. Die ersten Wohnmobillisten sitzen vor ihren mobilen Ferienwohnungen und trinken Kaffee. Sie gucken und ich gucke zurück. Die haben es gut, denke ich und will das auch! Ich rufe mich zur Ordnung und nehme mir vor, nicht immer alles zu wollen, was andere haben. Ist doch blöd, so etwas.

Im See ist noch niemand. Ich habe ihn für mich alleine. Das ist dich ganz prima, das haben die anderen nicht. Blitzschnell stehe ich im Badeanzug und wage mich ins Wasser. HERRLICH!!!!!!!!!!!!!!! Das erste Untertauchen ist das Schönste, was mir an heißen Tagen passieren kann. Kleine, silberne Fische springen aus dem Wasser, baden in der Luft und tauchen wieder unter. Wie ist das niedlich! Sie glitzern in der Sonne. RadfahrerInnen erreichen das Ufer, ziehen sich um und leisten mir Gesellschaft. Die haben es gut, denke ich, die können den See mit dem Rad erreichen. Aber dann höre ich auf, andere Leute zu beneiden, und lasse mich treiben.

Sehr viel später fahre ich nach Hause und fühle mich verreist. Ich denke mir einfach aus, ich sei im Urlaub. Es ist 10.08 Uhr und auf meiner Terrasse ist es noch kühl. Ich mache mir Kaffee und lese die Zeitung, bis es zu heiß wird. Dann gehe ich rein und verdunkle meine Wohnung.

Und jetzt wird mir die Zeit lang…….Ich sitze und schwitze und hoffe, Euch geht es gut. Wahrscheinlich seid Ihr alle am Meer😉.

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Neue Wege

Gestern wollte ich neue Wege erkunden und dazu noch am Wasser sein. Ich radelte fünf Kilometer zur nächsten winzigen Kleinstadt, die ich zwar kannte, aber lange nicht mehr besuchte. Dort gibt es einen wunderbaren kleinen Spazierweg am Flüsschen. Ich radelte bis ans Ende und schob mein Rad zurück. So gab ich meinen Gehmuskeln die Gelegenheit, mal wieder ein wenig zu arbeiten, was ja auch wichtig ist. Und weil alles so schön war, bemerkte ich meine Schmerzen in den Gelenken so gut wie kaum. Es war früh und es war kühl. Herrlich!

Dann radelte ich nach Hause und dachte, außer Landschaft und Schwan sei ja nun wieder nicht sonderlich viel passiert. Ich war zufrieden, weil, wenn nichts passiert, ist es friedlich. Und das kann ich gut gebrauchen. Frieden, Bewegung, Frischluft und Aussichten. „Das ist doch ein gutes Leben“, dachte ich, holte mir ein Buch und suchte meinen Leseplatz im Garten auf. In Romanen passiert ja immer etwas und das ist schön.

Später ist mir endlich auch selbst noch etwas passiert! Ich feilte auf der Terrasse meine Nägel. Meine gläserne Nagelfeile leistete gute Arbeit, bis sie mir aus der Hand rutschte und zerbrach. Peng!

Nun muss ich mir eine neue kaufen. Und wenn das erledigt ist, werde ich das ruhige Leben fortsetzen, genießen und hoffen, dass nicht wieder so viel passiert!

PS: Und jetzt grüße ich R., die sicher weiß, wo ich gestern gewesen bin! Und dann setze ich mich ins Auto, fahre zum See, schwimme eine Runde und werde den Resttag auf dem Sofa verbringen, während draußen die Hitze alles lahmlegen wird. Also, mich zumindest. Kommt alle gut durch diese Welle!

 

Nichts passiert, Fortsetzung

Also, nachdem vorgestern vormittags nichts passierte, wollte ich es wissen und bin nachmittags noch mal raus. „Wer weiß, wie lange es noch so schön kühl bleibt und vielleicht passiert ja heute doch noch was“, dachte ich.

„Ganz schön herbstlich schon“, kam es mir in den Sinn. Brauntöne überall.

Und was noch richtig schön grün aussah, verstellte mir den Blick zum Horizont. Nicht so schön, so was.

Und sogar dem hiesigen Riesen war es langweilig geworden, weil er nicht mehr sehen konnte, ob noch was passiert! So legte er sich am helllichten Tag lieber schlafen und träumte von Sommer-Abenteuern. Ganz leise radelte ich sehr verständnisvoll vorbei.

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Gerade als ich mir sicher war, das der Sommer sich tatsächlich  schon verabschiedet hat, sah ich zum Glück noch blühende Landschaften:

Ich besuchte noch schnell meine Lieblingskuhherde. Die waren vielleicht munter, die Biester, und das Kleinste übte sich im Gras-und Kräuterfressen. Das konnte es aber nicht, es musste das Zungenrollen noch üben. Einmal stand es im Weg und wurde von seiner Mutter fast umgerissen. Dafür ging das Putzen schon ganz gut.

Die Kühe hatten also ihren Spaß und ich fuhr nach Hause. Aber auch dort passierte nichts.

Fortsetzung folgt.

Nichts passiert

Nichts passiert

Vorgestern war es noch schön kühl und ich freute mich. Meine Welt schien still zu stehen. Nichts passierte. Ich mochte mich nicht verabreden, obwohl mir Gesellschaft vielleicht gut getan hätte. Ich drehte meine Runde mit dem Fahrrad. In mir arbeitete es und währenddessen begrüße ich die Störche draußen auf der Wiese:

Und ich fuhr extra einen Umweg zur wunderbaren Blumenwiese in der Stadt. Davon kann ich gar nicht genug bekommen. Diese Farben! Diese Vielfalt! Ob ich auch einmal so eine Blumenwiese in meinen Garten zaubern kann? Bisher hat es nicht geklappt.

Auf meiner Terrasse brummte das Leben und ich holte mir auch etwas Süßes. Wie gesagt: Nichts passierte, alles war wie immer! Also, wie meistens zumindest.

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Fortsetzung folgt!

Sprachlos

Sprachlos

Dazu fällt mir fast nichts mehr ein, außer: Mir fehlt der Glaube, dass es so viele Leute geben soll, die nicht an Covid-19 glauben.  Ich denke eher, dass viele von ihnen genau wissen, wie sie die Pandemie für ihre Zwecke nutzen können. Das ist beängstigend.

https://www.merkur.de/politik/coronavirus-berlin-baden-wuerttemberg-demo-protest-leugner-rechte-querdenker-711-500000-teilnehmer-samstag-polizei-zr-90016113.html