Die eine weiß, ich kriege nichts auf die Reihe. Also, fast nichts.

Wenn ich mit ihr zusammen bin, verhalte ich mich auch so.

Obwohl ich es besser kann.

 

Der andere erinnert sich, dass ich vor vielen Jahren einmal laut war, als ich in den Badesee stieg. Furchtbar laut. Unanständig laut für eine Frau und Mutter.

Mir ist das peinlich. Es passierte nie wieder.

Obwohl ich so gerne viel öfter laut gewesen wäre.

 

Kinder sind so gerne laut.

Herrlich!

Hier falle ich nicht auf.

 

Der andere findet mich hässlich und sagt, ich kriege keinen mehr ab, wenn ich mich nicht etwas mehr anstrenge und mich hübsch mache.

Ich stimme ihm zu, nicht liebenswert zu sein.

Obwohl ich doch ich bin.

 

Die eine freut sich so, mich zu sehen, dass sie mich beherzt in die Arme nimmt.

Ich mag sie auch und mich sowieso.

Obwohl manchmal auch nicht.

 

Der eine interessiert sich für das, was ich sage, auch wenn er nicht immer meiner Meinung ist.

Ich sage, was ich denke und was mir gerade einfällt.

Manches hört sich richtig schlau an. Manches auch nicht.

 

Die eine findet, ich bin total aktiv.

Ich denke, sie kennt mich nicht.

Ich bin dann aber auch total zufrieden mit mir.

 

Der andere denkt, ich erlebe zu wenig.

Ich glaube ihm.

Obwohl ich es besser weiß.

 

Der eine findet mich alt.

Bin ich ja auch.

Aber unter Gleichaltrigen bin ich es nicht.

 

Der eine denkt, ich bin eine Schlaftablette.

Ich bemühe mich, es nicht zu sein.

Und werde müde.

 

Die andere liebt mein Temperament.

Ich denke, bin ich zu laut?

Und lache mich scheckig.

 

Der eine hätte mich gern intellektueller.

Ich fühle mich dumm.

Ich habe mein kleines Latinum nicht erreicht, weil ich zu faul war.

 

Der andere mag keine Studierten.

Und ich halte mich zurück.

Lehrerin war ich früher auch noch.

Das merkt man, sagt er.

😳

 

Die eine nimmt mich so, wie ich gerade bin.

Ich bin alles, was ich sein kann.

 

Ich denke, die kriegt nichts auf die Reihe,

wenn sie mit mir zusammen ist, verhält sie sich auch so.

Obwohl sie es besser weiß.

 

Ich will achtsamer werden

mit meinen Urteilen.

Denn ich kann ja nichts wissen

über die anderen!

 

 

16 Gedanken zu “Der eine so, die andere so…..

  1. Lass`sie finden, meinen und denken, was sie wollen. Heute bin ich so frei und darf mich umdrehen, weitergehen. Lieber allein sein als ständig verglichen, bewertet, entwertet, beurteilt oder verurteilt zu werden. Was bleibt, ist, mir solches ebenso zu untersagen, bei anderen Menschen. Es wird anders, mit der Zeit. Wahrscheinlich besser.

    Und du? Würden wir uns begegnen, wärst du mir wahrscheinlich sympathisch 🙂

    Lieben Gruß!

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    1. Ja, lieber Reiner, das käme auf einen Versuch an! 😂 Das mit der Begegnung meine ich.
      Vielleicht lebe ich ganz gerne alleine, weil ich in meinem Leben noch nie die Zeit hatte, mich mit mir ohne Ablenkung auseinanderzusetzen. Jetzt habe und nutze ich sie. Aber ich brauche auch zwischendurch andere Menschen als „Spiegel“. Mir ist aufgefallen, dass ich mich bei ihnen unterschiedlich verhalte und fühle. Manchmal habe ich gar keine Chance aus „Rollen“ auszusteigen, die gar nicht mehr zu mir passen, wenn ich mit bestimmten Personen zusammen bin. Darum habe ich kürzlich einige Kontakte aufgegeben, die mir nicht gut tun. Ohne schlechtes Gewissen, weil ich die Dynamik erkannte, die nicht zu verändern war.
      Leider erwische ich mich regelmäßig dabei, mich und andere Menschen gedanklich zu bewerten. Das will ich abstellen, daran arbeite ich! Liebe Mai-Grüße! Regine

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      1. Rollen spielen – ich kenne das. bin seit langem schon auf dem Weg zu dem, der hinter den Rollen steckt.

        Auch dir liebe Mai-Grüße 🙂

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      1. Wie geht das: was ich nicht will, dass man mir tu, füg ich auch keinem Andern zu?
        Ja, stimmt, das im Bewusstsein parat zu haben, ist sehr wichtig. Es ist sehr deutlich ersichtlich, wenn ein anderer das gerade nicht tut. Doch sicher, eben so, geht es, diesem anderen, auch mit mir.

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      2. Je mehr ich mich lieben und wertschätwen konnte, je weniger passte ich mich noch an alte Bilder an. Das Bemerkenswerte: gleich wie oft jemand nie „neue“ schon erlebt hat, das alte Bild bleibt 😉

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      3. Ich denke so oft, dass der/die andere mich nicht sieht. Und ich sehe andere auch nicht, wenn sie von meinem Bild abweichen, oder? Manchmal kann ich auch dagegen an arbeiten, wenn es mir bewusst wird. Und ein/zwei Kontakte habe ich abgebrochen, weil es aussichtslos war. Dafür lerne ich immer wieder neue Menschen kennen. Passt!

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      4. Ja, sehen und gesehen werden… denke es hat viel mit Achtsamkeit zu tun.
        Vielleicht ist es eher fühlen denn sehen – wir nehmen wahr was in uns eine Saite zum klingen bringt

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  2. Beeindruckend und aus dem Herzen geschrieben. Deine Zeilen klingen in meinem Herzen nach. Oft schlüpft/ befindet man sich in alten Rollen. Ich kenne das, genauso wie die schnellen Bewertungen. Das “Hinter die Kulissen schauen”, den anderen zu erkennen und nicht sich als Reflexion des anderen sehen… eine auch für mich wiederkehrende Aufgabe
    Liebe Grüße. Priska

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  3. „Der eine interessiert sich für das, was ich sage, auch wenn er nicht immer meiner Meinung ist“. Mehr von diesen Menschen hätte ich gern. Finde ich erfrischender als die, die sich nur dann für meine Meinung interessieren, wenn sie glauben, dass sie mit der ihrigen überein stimmt.

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    1. Ja, das empfinde ich auch so. Ich fand einige dieser Menschen in der Volkshochschule. Wir philosophieren seit einigen Jahren miteinander. Manchmal in wechselnder Besetzung. Das ist immer sehr erfrischend und belebend.

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      1. Klingt spannend! In meinem Umfeld fürchten fast alle, philosophieren, wäre langweilig, trocken und nur für den gläsernen Turm geeignet. Seufz: und ich finde es so unterhaltend, belebend und Leben bereichernd.

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