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„Frau Holle?“ Sie dreht sich um und sieht mich fragend an. „Frau Holle, du machst das gar nicht richtig!“ „Was denn, mein liebster wahrer Zuckerweihnachtsengel?“ Ich hasse es, wenn sie mich so nennt. Natürlich sorge ich für die wahren Weihnachten, aber ich heiße immer noch Bethany. Ich finde, Frau Holle macht das mit Weihnachten in diesem Jahr überhaupt ganz verkehrt. Das muss ich ihr jetzt mal sagen, denn sonst weiß ich auch nicht, wo das noch enden soll. Sie wird vielleicht bis zum Heiligen Abend nicht mehr fertig und Weihnachten fällt dann aus, wenn sie sich nicht ein bißchen mehr anstrengt.

„Frau Holle, du musst jetzt sofort unbedingt anfangen zu planen und zu putzen und zu basteln und zu backen und….“ Sie ruft: „Stopp! Was muss ich schon wieder?“ „Putzen.“ „Warum?“  „Du kriegst Besuch.“ „Ja, am 22. Dezember. Heute ist der 8. Was soll ich putzen?“

Ich verstehe das nicht. Früher hat sie schon immer wochenlang geputzt und geräumt und geschwitzt, wenn sich Besuch ankündigte. Sie hat Magendrücken bekommen, wenn sie an Weihnachten dachte und Einkaufslisten geschrieben und sich Sorgen gemacht. In diesem Jahr macht sie Qi-Gong und schreibt Engelsgeschichten.

Kann ich sie etwa nicht mehr antreiben? Ich muss doch für das wahre Weihnachten sorgen! „Und du backst ja gar keine Kekse. So geht das nicht!“ Ja, sonst waren Anfang Dezember schon immer alle Keksdosen voll, zum Nikolaus waren sie dann alle wieder leer und spätestens am 8. Dezember hat sie wieder neu angefangen mit der Weihnachtsbäckerei. Eine wahre Freude war das, jedenfalls für mich. „Ach, mein kleines Schlechtes- Gewissen -Engelchen, ich habe keine Lust zum Backen!“ Habe ich mich verhört? Es ist doch Advent!  „Ja, schon, aber ich habe keine Lust!“ Wo kommt das denn auf einmal her? Ich verstehe meine Frau Holle nicht mehr. Sie ließ sich doch immer so wunderbar zur Weihnachtsfreude drängen, schubsen und zwingen. In diesem Jahr dringe ich gar nicht zu ihr durch. „Du musst auch noch Karten schreiben, Geschenke einkaufen, Weihnachtsmärkte besuchen, abnehmen, milde Gaben spenden, Staub und die Böden wischen, andere Menschen glücklich machen und hübsch aussehen!“

Nun verliert Frau Holle die Geduld. „NEIN!“ Sie kocht sich einen Tee, setzt sich auf das Sofa und liest eine Geschichte. Ich stampfe wütend mit meinem Fuß auf und meine Bäckchen zittern vor Empörung. So etwas hatte sie noch nie gewagt. Sie verliert ja völlig den Respekt. Frau Holle legt das Buch zur Seite und guckt streng. „Du musst Dir jemand anderen suchen, wenn Du weiter so autoritär für wahre Weihnachtsfreude sorgen willst. Bei mir nicht mehr, ich habe die Nase voll davon. Ich mache mir mein Weihnachten in diesem Jahr schon selbst.“

Och, so macht das keinen Spaß. Ausziehen will ich aber natürlich nicht. Ich muss mir wohl ein neues Aufgabengebiet suchen. Ich will gerne in aller Ruhe und geduldig beobachten, wie sich Frau Holle ihr Weihnachten schon selbst macht. Dann gibt es hier in diesem Jahr eben Frau Holles Weihnachten und die wahren Weihnachten sind Geschichte.

Ob das wohl gut geht?

Eigentlich prima, so habe ich mehr Zeit für mich, für meine eigene Freude und meinen Chor!

An alle Kolleginnen und Kollegen da draußen: lasst Eure Leute doch ihr eigenes Ding machen! Es gibt auch ein Leben ohne Weihnachtspflichtdruckgefühl! Halleluja.

Wir wissen: Antreiber-Engel nerven. Sie sollten sich Urlaub nehmen. Wahre Weihnachten sind eine Illusion. Entspannung macht alles besser und ist auch im Dezember erlaubt!

24 Gedanken zu “Frau Holles Adventskalender: 8

  1. Wieder so eine schöne Geschichte 🙂 Das spricht mir so aus der Seele – allerdings nicht in Bezug auf Weihnachten – sondern auf den sonstigen Streß, den ich mir gerade so mache. Puh ! Ich hab nicht einen von diesen Antreibern, ich glaube, es ist eine ganze Gruppe, aber immer wenn ich sie am Zipfel packen will, verstecken sie sich, die Witzbolde 😉 – Nach deinem Beitrag hab ich erst mal beschlossen, trotz Streß wieder ne Runde zu entspannen und zu bloggen. Ich mach mich doch nicht zum…Hirschen, oder so……..und weiterhin eine so entspannte Adventszeit wünsche ich 🙂 Liebe Grüße, Almuth

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    1. Liebe Almuth, wie wäre es mit einer Gruppentherapie für die Antreiber? Sie sollten herausfinden, ob sie sonst nichts zu tun haben, als Dich anzutreiben. Mein Antreiber hat erst wirklich Ruhe gegeben, nachdem ich in Rente ging. Aber so lange willst Du sicher nicht warten….

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      1. Da bin ich dabei 🙂 Mein Antreiber würde auch gerne in Rente gehen, in den Vorruhestand !!! Aber er meint, er will keine Abschläge hinnehmen. Da sind wir uns noch nicht einig. Vorruhestand bei vollem Rentenausgleich…hm…obwohl, bei dem Streß, den der macht, wäre es mir das wert !!!! Ach nee, ich schick ihn lieber auf Weltreise. In einer Nußschale. Das sollte dauern… 😉

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      2. Weltreise ist besser! Heute hast Du ihn ja gut zum Schweigen gebracht. Man muss ihm harte Grenzen setzen. Das akzeptiert er meistens. Eigentlich kann er uns nichts tun außer Antreiben.

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      3. Vielleicht braucht er ein Hobby ?? Autogenes Training oder so…. – ach ja, das mit den Grenzen setzen klappt bei ihm nicht so wirklich. Oder bei mir, öh ? Ich finde, ich sollte ihn gar nicht so Ernst nehmen 🙂

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      4. Höhööö, sooo weit bin ich dann doch noch nicht. Gleich wird noch ne runde gearbeitet. Ist aber auch schön, das Arbeiten (nur das Antreiben halt nicht) !! Das mit dem Muß will ! ich mir mal merken.

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  2. Alles hat seine Zeit – und das Du Dir DEIN Weihnachten gestaltest ist richtig und gut 🙂 wie habe ich damals die Zeit mit den Kindern geliebt….da wurde gebacken, Geschenke für die Grosseltern gebastelt, noch mehr beieinander gesessen und geredet, Geschichten erzählt…..und nun sitze ich hier mit minimalstem Adventschmuck und gekauften Plätzchen, Dominosteinen, Marzipan…..und es ist o.k. so…..na ja…jemanden an der Seite zu haben mit dem man diese Zeit gestaltet ist natürlich viiiiiiel schöner…..aber im Moment ist es einfach wie’s ist 😉

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    1. Ja, Weihnachten mit den Kindern war am allerschönsten. Also, ich meine, als die Kinder noch Kinder waren. Jetzt ist es auch schön, weil ich sie sehr selten sehe und ich es genieße, dass sie immer noch kommen. Aber am aller-aller-allerschönsten war es, als ich selbst noch klein war.
      Ich kann mich auch nicht aufraffen, zu backen. Schade, selbstgemachte Plätzchen schmecken doch am besten. Vielleicht backe ich auch noch so ein-zwei Bleche. Wenn ich Lust habe.
      Meine Liebe, ich denke an Dich und wünsche Dir, dass es Dir einigermaßen gut geht mit der zweitbesten Lösung. Zeiten ändern sich…..

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      1. So isses 🙂 danke, Liebes!

        Und: ja…..als Kind war alles viel geheimnisvoller, magischer…..bei Kartoffelsalat und Würstchen…..das ist Tradition bei meiner Mom 🙂

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